Suzanne ist sieben Jahre alt, als ihre Eltern beschließen, das geregelte Leben hinter sich zu lassen und mit einem einundzwanzig Meter langen Boot namens Wavewalker die dritte Reise des Entdeckers James Cook – der Suche nach der Nordwestpassage – nachzusegeln. Die Reise sollte 3 Jahre dauern, doch erst zehn Jahre später verließ Suzanne schließlich das Boot.

"Aber du bist so normal«, sagen Leute häufig, wenn sie von meiner Kindheit erfahren. Und in gewisser Weise bin ich das auch. Doch auch wenn man es mir nicht ansieht, hat mich die Erfahrung, zehn Jahre und 47.000 Seemeilen auf der Wavewalker zu segeln – was einer zweifachen Erdumrundung entspricht – zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin."

Im Juli 1976 sticht die vierköpfige Familie Cook in See. Von Plymouth über Madeira und Teneriffa geht es zunächst nach Rio de Janeiro und von dort weiter nach Kapstadt. Begleitet von fliegenden Fischen, die sie morgens an Deck einsammelt, und einem Pottwal, den sie Henry nennt, ist die junge Suzanne zunächst mit kindlicher Freude und Neugier Teil des familiären Abenteuers. Doch die anfängliche Begeisterung soll schnell der Realität weichen. © Suzanne Heywood

Das Leben auf der Wavewalker ist monoton, anstrengend und fern jeder normalen Kindheit: Nicht selten geraten sie in heftige Stürme, die Suzanne und ihren jüngeren Bruder Jon zwingen, tagelang unter Deck zu bleiben. Auch der ursprünglich angedachte Unterricht ihrer Mutter findet kaum noch statt. Die junge, wissensdurstige Suzanne vermisst das Lernen, leidet unter Einsamkeit und fehlendem sozialen Kontakt. Statt spielend und lernend ihre Tage zu verbringen, werden die Geschwister von ihrem Vater wie kleine Erwachsene behandelt und in die tägliche Arbeit auf Deck eingebunden. "Und so verbrachten Jon und ich unsere Tage nicht mehr am Strand, sondern schmirgelten die Luken und Dollborde mit Sandpapier, wodurch unsere Hände ähnlich trocken und rau wie das Holz wurden. Eine schreckliche Arbeit, laut Dad aber unentbehrlich (…)" © Suzanne Heywood

Als sie bei der Überquerung des Indischen Ozeans erneut in einen heftigen Sturm geraten, kommt es zu einem Unfall in der Kajüte, wobei Suzanne sich eine schwere Verletzung am Kopf zuzieht. Nur mit Glück erreicht die Familie eine kleine Insel — die Île Amsterdam —, auf der sie notoperiert wird.

"Als ich nach einiger Zeit die Augen öffnete, lag ich auf dem Boden, halb im Wasser, umgeben von Porzellanscherben, durchnässten Büchern und Deckenstücken. Eiskaltes Wasser, schwarz, grau und weiß schäumend, strömte durch ein Loch über mir." © Suzanne Heywood

In den folgenden Jahren auf der Wavewalker, die Suzanne im Verlauf des Buches beschreibt, fühlt sie sich immer mehr im Lebenstraum ihres Vaters gefangen. Ihre Mutter verbringt viel Zeit im Bett, ist seekrank und schwelgt in Erinnerungen an England. © Alan Appleton

Suzannes Sehnsucht nach einem richtigen Zuhause, festem Boden unter den Füßen und einem geregelten Tagesablauf wird immer stärker und so beschließt sie, ihre unterbrochene Schulausbildung in Eigenregie auf hoher See fortzusetzen. Da sie sich immer wieder in anderen Ländern, an anderen Häfen und sogar auf anderen Kontinenten aufhält, ist dies nur per Post möglich und schon allein deshalb eine logistische Herausforderung – Unterstützung von ihren Eltern erhält sie kaum.

Schließlich macht sie ihren Schulabschluss per Fernschule und bewirbt sich anschließend an mehreren Universitäten. Sie bekommt nur eine Rückmeldung – von Oxford. Mit 17 ist ihr Kampf nach Freiheit schließlich beendet, sie kann in ihre Heimat zurückkehren und ein eigenes Leben aufbauen. Fast 20 Jahre später begibt sie sich noch einmal auf Spurensuche in die Vergangenheit und sucht nach den Überresten der Wavewalker. Heute lebt Suzanne Heywood mit ihrer Familie in England und arbeitet als Führungskraft in der Investmentbranche. © Suzanne Heywood

Wavewalker ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über Widerstand und Entschlossenheit seinem eigenen Weg zu folgen. Ohne auszusparen, nimmt Suzanne Heywood Leser mit auf eine abenteuerliche Fahrt durch Wellen und Schmerz. Schonungslos und wunderbar, erzählt sie von verlorenen Träumen, Angst, Isolation und dem Wiederfinden von Stabilität. Dabei lebt Wavewalker von alten Fotografien und detailreichem Erzählen, dem spürbaren Wunsch nach Freiheit und unerschrockener Ehrlichkeit: "Zu sagen, am Ende ist alles gut ausgegangen, wäre zu einfach."