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Australien
Schöne, strapazierte Unterwasserwelt
Das riesige Korallenriff gehört zu den großen Naturwundern der Erde. Keine Frage, dass Touristen somit zuhauf zum Great Barrier Reef pilgern. Doch wie lange noch? Der Klimawandel macht dem empfindlichen Ökosystem Klimawandel sichtbar zu schaffen.
Wolfgang Veit & Stefan Huy, vom 02.10.2024
Ein fragiles Wunder
Hunderttausende besuchen jährlich das Great Barrier Reef. Die meisten kommen zum Schwimmen und Schnorcheln, doch vor allem Taucher können den fragilen Korallengebilden gefährlich nahekommen. Entsprechend streng sind die Vorschriften: Anfassen oder gar betreten verboten, und wer ein Stück Koralle als Souvenir einheimst, riskiert eine hohe Geldstrafe. Darüber wacht die Great Barrier Reef Marine Park Authority als unnachgiebige, aber notwendige Aufsichtsbehörde dieses ungemein vielfältigen Lebensraums.
1981 erhielt das Great Barrier Reef endlich seinen längst verdienten Platz auf der UNESCO-Welterbe-Liste. Da war es als mutmaßlich achtes Weltwunder längst zu legendärem Ruhm gelangt: Über 2.300 km lang, reicht das Riff von Papua-Neuguinea im Norden bis vor die Südküste Queenslands und bedeckt eine Fläche von ca. 345.000 km², die in etwa der Größe Japans entspricht. Eine märchenhafte Unterwasserlandschaft aus fast 3.000 Einzelriffen, erfüllt von bunt blinkenden Fischschwärmen, riesigen Muscheln, majestätischen Mantarochen und sich im Wellengang wiegenden Seegräsern zwischen bizarr geformten Korallen.
Selbst vom Weltraum aus ist das Great Barrier Reef zu erkennen – als einziges lebendes Gebilde auf der Erde. Die Baumeister des Riffs sind die Korallen, wirbellose Meerestiere, die sich nicht fortbewegen und ihr Leben lang an einer Stelle haften. Es gibt von ihnen Hunderte von Arten in allen erdenklichen Farben und Formen. Sie entnehmen dem Meerwasser gelösten Kalk und lagern ihn ringförmig im unteren Teil ihres Körpers ab. Die so entstandenen Kalkröhrchen werden nach Absterben der Korallen zu festen Bestandteilen der Riffstruktur. Am besten gedeihen die Polypen in sauberem, mit Sauerstoff angereichertem Salzwasser mit viel Sonnenschein und einer möglichst gleichmäßigen Temperatur von 25° C. Dort, wo Korallenbänke bis an die Meeresoberfläche reichen, können sich an der dem Wind abgewandten Seite Sedimente ansammeln, die zunächst zu Sandbänken und irgendwann später vielleicht zu Eilanden anwachsen. Für Vegetation sorgen schließlich Vögel und Strömungen, die Samen vom Festland mitbringen. Solche echten Koralleninseln, wie Heron Island, werden "Cays" genannt und ragen in der Regel nicht höher als einen Meter über dem Wasserspiegel auf.
© Tunatura, Shutterstock
Zerstörerische Kräfte
In der jüngeren Erdgeschichte hat das Riff, einem Bollwerk der Natur gleich, immer wieder tropischen Zyklonen trotzen müssen, die regelmäßig während der Regenzeit über Australiens Nordküsten wüten. Die berüchtigten Wirbelstürme zerstören nicht nur ganze Korallenstöcke, sondern treiben auch massenhaft Schlamm durch die Flussmündungen des Festlandes, sodass kaum noch lebensnotwendiges Sonnenlicht zu den Polypen durchdringt.
Noch mehr Schaden richtet der Dornenkronenseestern an. Der in der Regel rot gefärbte Meeresbewohner mit Riesenappetit auf Koralle kann pro Tag bis zu 450 m2 kahl fressen. Einer Heuschreckenplage vergleichbar fallen Millionen dieser Seesterne über ein Einzelriff her. Es braucht dann Jahrzehnte, bis sich die Korallenwelt wieder erholt hat. Weil sich die Plagen in den letzten 50 Jahren häuften, wird davon ausgegangen, dass Umweltverschmutzung, vor allem ins Meer geschwemmte Düngemittel mit ihren Nährstoffen, die dramatische Vermehrung der Dornenkronenseesterne begünstigt. Auch Bemühungen von Tauchern, die den Schädlingen höchstselbst zu Leibe rücken und einzeln einsammeln, konnten bisher keine signifikanten Verbesserungen bewirken.
Kampf gegen die Erwärmung
Doch so ein Korallenriff muss seit einiger Zeit noch viel Schlimmeres aushalten können. Denn die anhaltende Klimaerwärmung zeigt auch hier bereits bedrohliche Symptome, denn bei zunehmenden Wassertemperaturen bleichen die Korallen aus. "Coral bleaching" entpuppt sich als neuzeitliche Naturkatastrophe, nicht zuletzt für den einträglichen Tourismus am Great Barrier Reef. Aus den bunten, vor Leben nur so strotzenden Korallenfeldern werden grau-weiße Friedhöfe, in denen sich kaum ein Meeresbewohner mehr blicken lässt. Um dem Problem Herr zu werden, wollte man zunächst riesige Sonnensegel aufspannen, um die aufheizende Einstrahlung großflächig abzuwehren. Diese Idee wird von Umweltschützern schon seit ca. 20 Jahren diskutiert, bisher haperte es allerdings an der Umsetzung. Experten und Forscherteams wollen heute nun verbreitet Sensoren anbringen, um zumindest vorsorglich Wassertemperatur und Verschmutzungen messen zu können.
© Richard Whitcombe, Shutterstock
Aber die Natur weiß sich auch zu helfen: Vor einigen Jahren haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die Korallen bei Überhitzung die chemische Substanz Dimethylsulfid (DMS) absondern, praktisch ein Schutzschild gegen noch mehr Sonneneinstrahlung. 2009 konnte erstmals bestätigt werden, dass sich ehemals völlig zerstörte Riffabschnitte in erstaunlich kurzer Zeit erholt haben. Ein seltenes Zusammenspiel idealer Bedingungen liefert dafür die Erklärung: So hätten sich die Korallenpolypen weitflächig gegen das stets mit ihnen konkurrierende Seegras durchsetzen können, wobei die nicht-geschlechtliche Vermehrung schnell wachsender Korallen ausschlaggebend gewesen sei.
Tipps
Wer dem Great Barrier Reef einen Besuch abstatten möchte, um sich selbst von der Einmaligkeit dieses Naturwunders überzeugen zu können, dem seien noch ein paar Tipps ans Herz gelegt. Die populärsten Touren zum Great Barrier Reef starten ab Cairns und Port Douglas (Bus-Transfer ab Cairns). Am spektakulärsten sind Tauch- und Schnorchelausflüge am Outer Reef. Aber auch ein Tagestrip zu den Lower Isles (Quicksilver) ist zu empfehlen – vor allem, wenn man sich am herrlichen Strand ausruhen will. Die Trips sollten erst kurz vor dem gewünschten Termin in Cairns gebucht und von Wetter und Seegang abhängig gemacht werden.