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Singapur
Singapurs grüner Aufbruch
Die Gardens by the Bay sind Singapurs visionäres Paradies: Ein futuristischer Botanischer Garten, der wilde Natur mit Megacity vereint und dabei ein inspirierendes Vorbild für nachhaltige Innovationen ist.
Lea Katharina Nagel, vom 13.10.2024
Anfang der 2000er, als nachhaltige Stadtentwicklung und städtische Klimawandelanpassung in vielen globalen Megastädten zögerlich als entwicklungsrelevant eingestuft wurde, preschte Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong am 9. August 2005 mit einem visionären Vorhaben vorweg. Als Teil der langfristigen Strategie Eine Stadt im Garten wurde der geplante Bau einer gigantischen Gartenlandschaft von 101ha der einheimischen Bevölkerung und Weltöffentlichkeit kommuniziert. Zur Einordnung: Als Inselstaat ist Singapur nur knapp 700km2 groß, beherbergt 5.5 Mio. Einwohner und rangiert unter den Top-Touristenzielen weltweit: Fläche ist hier ein äußerst wertvolles Gut.
Just verlautet, wurde eifrig an der Umsetzung gearbeitet. 2006 übergab die Regierung die gestalterische Ausarbeitung im Wesentlichen an drei Unternehmen: Die britischen Büros von Grant Associates und Gustafson Porter deckten den landschaftsarchitektonischen Teil ab, während das – ebenfalls britische Unternehmen – Wilkinson Eyre Architects für die Planung von Gewächshäusern beauftragt wurde.
Im gesamten Realisationsprozess und dem zukünftigen Betrieb der entstehenden Anlage wurde darauf geachtet auf erneuerbare Energien zu setzen – beziehungsweise kreislaufartig zu wirtschaften. Die Gardens by the Bay verkörpern eine zukunftsorientierte Wertekultur, versinnbildlichen die Erhöhung der menschlichen Lebensqualität, eingebettet in natürliche Prozesse.
Nach der Fertigstellung wurden Ende Juni 2012 – im Rahmen einer feierlichen Zeremonie – die Tore der Allgemeinheit geöffnet. Seither strömen jährlich über zehn Millionen Menschen in das irdische Paradies Singapurs. Hauptattraktionen sind die weltweit größten klimatisierten Gewächshäuser Flower Dome und Cloud Forest, sowie das Gebiet rund um die künstlichen Baumerscheinungen der Supertrees. Die einzelnen Konstruktionen sind in außergewöhnlich effizienter Weise durch einen Kreislauf natürlicher Energiegewinnung und -nutzung miteinander verbunden.
Der Flower Dome
Herausgetreten aus Singapurs tropischer Luft, herrschen in dem futuristischen Gebäude des Flower Domes "kühle" 20-25°C. Simuliert wird hier das mild-trockene Klima der Mittelmeerregionen bis hin zu leichten Wüstenlandschaften - im Fachjargon als semiarides Klima bezeichnet. Die florierende Vegetation setzt sich aus Dattelpalmen, Affenbrotbäumen, Agaven, Kakteen und einem 1000-jährigen Olivenbaum zusammen, der eigens aus Spanien eingeflogen wurde.
Saisonal legen die Betreiber thematische Schwerpunkte, wie beispielsweise die holländische Tulpenblüte. Die 1.28ha große Anlage, die etwas größer ist als das Schwestergebäude des Cloud Forest, wurde im Jahr 2015 als das "größte gläserne Gewächshaus der Welt" in das Guiness Buch der Rekorde aufgenommen.
© Joel Whalton, Shutterstock
Im Cloud Forest
Mit 0.78ha ist das benachbarte Gebäude in Größe und Präsenz nicht weniger beachtlich. Der lichtdurchflutete und nebeldurchzogene Bau des Cloud Forest entführt wiederum in eine andere klimatische Zone der Erde: Hier gedeihen Pflanzen der tropischen Bergregionen, die in freier Natur sonst in Höhen von 1000-3000m vorkommen. Eine 35m hohe Turmkonstruktion stimuliert das Gefühl von luftigen Höhen, ihr entspringt ein spektakulärer, 30m hoher Wasserfall. Die für diese Landschaft typischen Gewächse sind u.a. rot blühende Bromelien, Farne, Bergorchideen und Flamingoblumen. Der hier angepflanzte, natürliche, Regenwald entfaltet seine Größe erst im Laufe der Zeit und das eingespielte Vogelgezwitscher, Affengebrüll und Blättergeraschel schafft ein durchaus authentisches Gefühl.© Mr. James Kelley, Shutterstock
Die Giganten: Supertrees
Das wohl bekannteste Motiv der Gardens sind die gigantischen Supertrees. Die 18 Stahl-Beton-Konstruktionen mit Höhen zwischen 25-50m tragen ihren Namen nicht zu Unrecht. Der Beton für den Bau wurde von Holcim Singapur, einem lokalen Ableger des Schweizer Herstellers Holcim produziert. Dafür verwendete man möglichst wenig Sand, einem knappen Rohstoff, und arbeitete stattdessen mit Abfällen, die zu einem Großteil aus der Schiffsindustrie stammten. Betrieben werden sie mit moderner, klimaneutraler Technik, darunter Photovoltaik und Regenwasseraufbereitung. Die futuristischen Superbäume wurden vertikal mit über 200 seltenen Pflanzenarten begrünt, darunter Orchideen, Moosen, Farnen, Epiphyten und sich rasant schlängelnden Würgefeigen.
Ein 128m langer Steg verbindet die einzelnen Giganten miteinander, schafft aus ihnen eine Einheit. Im Inneren sind sie mit Treppen und Liften erschlossen. Neigt sich die Sonne dem Horizont entgegen, pulsieren sie in grellen Neonfarben und werden von Besucherscharen heimgesucht – die beeindruckende Lichtshow lässt die Szenerie wie von einem anderen Planeten wirken.© tonkid, Shutterstock
Das riesige Gelände der Gardens by the Bay hat "natürlich" noch weitaus mehr zu bieten und ist unzweifelhaft eine lebendige Inspirationsquelle. Singapurs Regierung will mit dem Projekt nicht nur die einheimische Bevölkerung ansprechen, sondern schickt eine Botschaft an die Welt. Auch in Megastädten ist es möglich in Einklang mit der Natur zu leben und in ihnen lebenswerte Orte der Zukunft zu schaffen