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Marokko, Japan, Wien

Streetfood-Klassiker als kultureller Türöffner

Brennender Wok mit Armen des Kochs, der mit Schieber Zutaten vermengt© Ramina_J, Shutterstock · Streetfood als kulturelles Erlebnis

Streetfood boomt nicht erst seit den 2000er Jahren – ob Tajine in Marrakesch, Takoyaki in Osaka oder Käsekrainer in Wien, die Straßenküche eines Landes erzählt über Kultur und Geschichte.

Lea Katharina Nagel, vom 08.11.2024

In Klein- und Großstädten sieht man sie: Stände, Wägen und Verschläge, die warme und kalte Snacks rund um die Uhr anbieten. Doch ist Streetfood eine Erfindung der modernen Gastronomie-Szene? Wohl kaum. Bereits im antiken Griechenland und Rom, an historischen Orten wie Pompeji oder Alexandria deuten Spuren auf die Existenz von der damaligen Version einer Imbissstube hin. Damals handelte es sich um kleine Räume mit einer zur Straße ausgerichteten Theke, aus denen man Vorbeiziehenden einfache Gerichte wie gebratenen Fisch anbot. Heute glänzen Straßenköche mit exorbitanter Vielfalt, Kreativität und Internationalität - es gibt asiatische Gourmethappen in deutschen U-Bahnhöfen, afrikanische Snacks auf New Yorks Straßen und Falafel gehören mittlerweile in ganz Europa zum Standardrepertoire der Streetfood-Szene. Trotz der Möglichkeit überall alles haben zu können, trotz Glamour, Pepp und Trend: Manche Straßengerichte sind gerade aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Schlichtheit und kulturell verwurzelten Zubereitungsart einzigartig. Dazu zählt die marokkanische Tajine, japanische Takoyaki und der Wiener Käsekrainer.

Tajine, Marokko

Auf einer Marokko-Reise ist es nahezu unmöglich an der Tajine vorbeizukommen. Das Gargericht stammt aus der Kultur der Berber, dem über ganz Nordafrika verbreiteten Nomadenvolk, dessen Nachkommen heute mehrheitlich sesshaft sind. Schon vor tausenden von Jahren verwendeten sie auf ihren Touren durch karges Wüstenland ein braun-rötlich gebranntes Lehmgefäß für die Nahrungszubereitung – die zweiteilige Tajine. Sie besteht aus einer recht flachen Schüssel, auf die ein spitz zulaufender runder Deckel mit kleinen Löchern gesetzt wird. An der Spitze befindet sich eine kleine Kuhle, in die bei Verwendung regelmäßig kaltes Wasser zur Kühlung gefüllt wird, die Wärme verteilt sich perfekt und gleichmäßig. Das Wort »tajine« wird sowohl für das Kochgeschirr als auch das Schmorgericht selbst verwendet.

Die Zubereitung von Tajine ist recht simpel, aber zeitintensiv. Über einem kleinen Holzfeuer werden Fisch, Hammel- oder Rindfleisch, Meeresfrüchte, diverse Gemüsesorten und Gewürze zusammen in Olivenöl langsam gedünstet. Die Zutaten bleiben knackig, sind butterzart und entfalten voll ihre gespeicherten Aromen. Daraus entsteht eine für das Gericht charakteristische natürliche und kräftige Würze. Zu den vielen Kompositionen des maghrebinischen Eintopfs - von fleischlastig bis vegetarisch/vegan - wird gängigerweise Brot gereicht. Beliebte sind »Kefta«, die marokkanische Frikadelle in Tomatensud, Rindfleisch mit Pflaumen oder auch Fisch mit Oliven. Dampfende Tajine in Marokko, spitz zulaufende, dampfende Keramiktöpfe über Feuer, in denen Essen geschmort wird© Savvapanf Photo, Shutterstock

Takoyaki, Japan

Kleine, runde Bällchen, die mit viel Geschick zubereitet werden – das sind Takoyaki. In japanischen Metropolen wie Osaka oder Tokio stolpert man unentwegt über die - wörtlich übersetzt - Gebratene Krake. Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich bei Takoyaki um kleine Stücke Oktopus, die in einem Teigmantel frittiert werden. Darüber gibt man sog. Takoyaki-Sauce, Mayonnaise, getrockneten Seetang und Bonito-Flocken. Schmale Streifen von rotem Ingwer und Frühlingszwiebeln verleihenzusätzlichen Pepp und eine angenehme Schärfe.

Heute sieht man die Verkaufsständes häufig in oder in der Nähe von U-Bahnhöfen, doch die Wurzeln des legendären Streetfoods liegen nicht auf der Straße: Die Geschichte beginnt - so munkelt man - 1933 in dem Restaurant Aizuya im südwestlichen Osaka. Der damalige Besitzer Mr. Tomekichi Endo entwickelte sog. rajioyaki, einen Snack für Kinder, aus denen 1935 dann die klassischen Takoyaki entstanden sind. Im 20. Jahrhundert verbreiteten sie sich rasant über den gesamten Inselstaat und wanderten auf die Straße. Takoyaki gelten in der japanischen Gesellschaft nicht als vollwertige Mahlzeit und sind der Inbegriff einer "Mahlzeit für Zwischendurch".

Für die Zubereitung selbst wird ein mit kleinen halbrunden Vertiefungen ausgestattetes Brateisen verwendet, das wie ein einseitiges Waffeleisen funktioniert und dessen Benutzung Geschick, Fingerspitzengefühl und eine Menge Übung erfordert: Der eingegossene Teig wird blitzschnell mit zwei Stäbchen gewendet, sodass nicht nur halbrunde, sondern – wie für Takoyaki typisch – runde, knusprige Bällchen entstehen. Die traditionelle Takoyaki-Variante mit Oktopus wird heute durch Versionen mit Tofu und diversem Gemüse ergänzt. Eine Portion umfasst sechs bis acht Stück, gegessen wird traditionell mit Zahnstochern. Zubereitung von Takoyaki in Japan in Streetfood-Lokal, Mit Zutatenboxen und Blick auf Brateisen mit kleinen halbrunden Vertiefungen, in denen knuspriger Teig gebacken wird.© Sean K, Shutterstock

Käsekrainer, Wien

Im Volksmund auch als Eitrige bekannt, besticht der Wiener Käsekrainer weniger durch Raffinesse, als durch Tradition – er ist ein Musterbeispiel für europäisches Streetfood. Die groben Schweinefleischwürste mit einem Käseanteil von bis zu 20% sind in den vielen Würstlständen der österreichischen Hauptstadt zuhause. Ob gebraten, gekocht oder gegrillt, serviert wird der Käsekrainer mit gehobeltem Meerrettich, Senf, einer Essiggurke oder eingelegten Peperoni. Dazu gibt es eine einfache Weißbrotsemmel. Die Anfänge des legendären Streefoods liegen in der k.u.k. Monarchie begründet und waren Teil einer Sozialreform für Kriegsinvaliden, denen durch den Verkauf eine Einkommensquelle ermöglicht werden sollte. Begonnen wurde mit mobilen Verkaufswagen, erst in den 1960er Jahren fasste die kulinarische Institution dann langsam Fuß. Auch der Käse kam erst später hinzu, ursprünglich wurde schlicht in heißem Wasser gekochte Burenwurst angeboten. Ob nach durchfeierter Nacht oder als Mittagessen: der Käsekrainer wird am "Standl" im Stehen gegessen. Würstelstand und Streetfood-Kiosk in Wien bei Nacht© Kirill Neiezhmakov, Shutterstock

Tajine, Takoyaki oder Käsekrainer: Quer über den Globus verteilt erzählen auf Straßen angebotene Snacks viel über ein Land oder eine Kultur. Zu beobachten auf welche Weise Menschen Streetfood essen, zuzuhören welche Geschichten sich um die Entstehung ranken oder wie die Art der Zubereitung ist, kann tiefe Einblicke in das Leben und lokale Gewohnheiten geben.

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