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Myanmar
Von Kärnten zur Prinzessin von Myanmar: Das Leben der Inge Sargent
Inge Sargent, geboren als Inge Eberhard in Kärnten, ging als europäische Prinzessin Myanmars in die Geschichte ein. Doch ihre märchenhafte Liebe zu einem Prinzen verwandelte sich unter einem repressiven Regime in einen Albtraum.
Lea Katharina Nagel, vom 16.12.2024
Ein burmesisches Märchen
Anfang der 1950er Jahre reiste die junge Studentin Inge Eberhard mit der finanziellen Hilfe eines Stipendiums in die USA. Schon nach kurzer Zeit lernte sie dort den burmesischen Bergbauingenieurstudenten Sao Kya Seng kennen. Long story short: Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten 1953 in Denver. Doch trotz Ehe kannte Inge zu dieser Zeit nicht die Wahrheit über den wohlerzogenen und attraktiven jungen Mann an ihrer Seite: Sao trug in seiner Heimat den Beinamen Saophalong – er war Prinz des burmesischen Fürstentums Hsipaw. Hsipaw ist eine Region im Osten Myanmars an der chinesischen Grenze, die dem Shan Staat angehört und heute circa 54.000 Einwohner hat.
Um die Familie Saos kennenzulernen, trat das junge Paar 1954 per Schiff mit der SS Warwickshire die Reise nach Rangoon an. Es war die letzte gemeinsame Zeit in Zweisamkeit, bevor sich Inges Leben radikal änderte. Erst bei der Ankunft im Hafen gab sich ihr Ehemann als der zu erkennen, der er tatsächlich oder vielleicht „zusätzlich“ war. Beziehungsweise wurde er in Anbetracht der wartenden Menschenmassen und einem pompöse Empfangskommitee mehr oder minder zum Offenbaren seiner royalen Herkunft genötigt. Für die damals 22-jährige Inge begann ein neues Leben als Sao Thusandi., Prinzessin der Shan.
Was mich wirklich sehr bewegt hat, als ich dort ankam – zuerst in Rangun, dann Hsipaw – war die Freundlichkeit der Leute. Und dann die Farbenpracht ihrer Kleidung. Die ganze Umgebung, alles war farbig und irgendwie positiv und froh.
(Interviewausschnitt, ARD 2020)
Nach ihrem Umzug engagierten sich Sao und Inge Vorort, beide verband ein ausgesprochener Gerechtigkeitssinn – isbesondere Sao empfand eine tiefe Verbindung zu seinen Landsleuten. Gleichermaßen hatte ihn die Zeit in den USA geprägt und ihn das repressive Feudalsystem seiner Heimat hinterfragen lassen. Er wollte Lebensbedingungen bessern, Land aktiv weiterentwickeln und trat so für einen burmesischen Fürsten ungewöhnlich großzügig auf. Unter der Schirmherrschaft von Inge Sargent und Saophalong wurden Schulen gegründet, Bauern mit Reisfeldern ausgestattet und Maßnahmen zur Verringerung der Kindersterblichkeit getätigt. In der Zwischenzeit hatten sie selbst Kinder bekommen, die beiden Mädchen Mayari und Kennari.
© Privatarchiv
Wie das Märchen zum Albtraum wurde
Der Shan Staat verstand sich damals, wie auch andere Fürstentümer Myanmars, als eigenständig und strebte die Unabhängigkeit an. Doch die Bemühungen blieben erfolglos, die Spannungen mit der Zentralregierung wuchsen und der gebirgigen Region wurde die Autonomie gänzlich entzogen. Zudem unterstellte man sie der Zentralregierung und dem Zentralmilitär, Menschen in einst machtvollen Positionen und die Fürsten des Teilstaates wurden abgesetzt. Auch Sao Kya Seng wurde gefangen genommen und an diesem Punkt verlieren sich seine Spuren bis heute – er wurde nie wieder gesehen. Inge Sargent versuchte in ihrer Verzweiflung immer wieder Informationen über den Verbleib und das Schicksal ihres (einstigen) Ehemanns zu erlangen, jahrzehntelang kämpfte sie um ihr Recht der Information. Nur wenige persönliche Briefe geben Aufschluss über seine Zeit in Gefangenschaft. Anfangs trat Inge Schikanen des Militärs mit Rückgrat und Stärke gegenüber, doch als die Familie unter Hausarrest gestellt wurde, sah sie sich und ihre beiden Töchter zunehmend selbst in Gefahr. 1964 gelang ihnen die Flucht zurück in die USA und für Inge Sargent begann ein neuer Lebensabschnitt: Sie arbeitete als Deutschlehrerin und heiratete Howard Sargent 1968. Viele Jahre engagierte sich die gebürtige Kärntnerin für die Menschen Myanmars, unterstützte Flüchtlinge und Regimeopfer, die - wie auch sie - nach wie vor unter einem repressiven System leiden müssen. Am 5. Februar 2023 starb Inge Sargent in Boulder, Colorado – sie selbst hat sich immer als Shan verstanden.
1994 wurde ihre Autobiografie veröffentlicht, Twilight Over Burma. My Life as a Shan Princess. (Übersetzungen: Mein Leben als Sao Thusandi, Prinzessin der Shan (1997)/ Dämmerung über Birma. Mein Leben als Shan Prinzessin (2006)).