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Portugal, Porto
Die Livraria Lello: Ein roter Teppich für die Literatur
Die Livraria Lello ist nicht nur eine Buchhandlung – sie ist eine Attraktion. Umrankt von Harry-Potter-Mythen und portugiesischer Geschichte, zieht das altehrwürdige Geschäft Menschen aus aller Welt an.
Lea Katharina Nagel, vom 11.10.2024
Fast unweigerlich wird man in den Planungen eines Porto-Trips auf die Livraria Lello stoßen. Spätestens seitdem die britische Tageszeitung The Guardian sie in einem Ranking an die Spitze der schönsten Buchhandlungen weltweit wählte, zählt sie zu den sogenannten „Must-Sees“ – Eintritt inklusive. Sie liegt an der Rua das Carmelitas Nr. 144, zentral in Portos Altstadt, und ihre Geschichte reicht über hundert Jahre zurück: 1894 kaufte der Verleger und Buchhändler José Pinto de Sousa Lello das Gebäude, in dem sich bereits seit 1869 ein kleiner Buchladen unter dem Namen Livraria Chardron befand. Zwölf Jahre später, am 13. Januar 1906, eröffnete José gemeinsam mit seinem Bruder António dann die malerische Livraria Lello. 1995 wurde sie nochmals renoviert, und seit 2013 steht sie offiziell unter Denkmalschutz. Die heutigen Eigentümer sind Aurora Pinto und José Manuel Lello, wie der Name verrät: ein Nachkomme.
Zwischen rotem Teppich und Großbürgertum
Die Gebäudestruktur und Inneneinrichtung ist eine architektonische Melange aus Jugendstil, Neugotik und französischem Art déco – einer Stilrichtung, die zu Gründerzeiten bei betuchten Portuensern en vogue war. Für die helle Außenfassade beauftragten die Brüder Lello damals den Ingenieur Francisco Xavier Esteves. Zur linken und zur rechten der Schaufenster sind zwei Frauen des Malers José Bielmann abgebildet. Sie repräsentieren Kunst und Wissenschaft, geben erneut einen Wink auf die eher großbürgerliche Mentalität der verbrüderten Gründerväter und gleichermaßen auf eine historische Blütezeit Portos.
Im Inneren ist die Atmosphäre heimelig. Spärliche, warme Beleuchtung erfüllt die beschaulichen, hochgebauten Räumlichkeiten. Blickfang und gewissermaßen fotografisches Aushängeschild ist eine dominante, geschwungene Holztreppe mit rotem Teppich, die in die oberen Etagen führt.
© R.M. Nunes, ShutterstockInsgesamt verfügt die Livraria über drei Etagen, inklusive einer kleinen Bar mit ausgezeichnetem Portwein. Wissensdurst liegt in der Luft, und Büsten bedeutender portugiesischer Schriftsteller wie Tomás Ribeiro, Guerra Junqueiro oder Camilo Castelo Branco sind aufgestellt und an Regalen befestigt. Die dunklen, kunstvoll geschnitzten Holzvertäfelungen der Wände und Decke sind teils echtes Holz, teils äußerst realistisch bemalter Rigips. Das große gläserne Mosaik an der Decke wirkt sakral und erinnert an Zeiten, in denen Buchbesitz noch Universitäten, Klöstern und höheren Gesellschaftsschichten vorbehalten war. Decus in Labore („Arbeit schmückt das Leben“) ist darauf zu lesen: Nach wie vor die goldene Regel der Lellos.
Mythen, Magie und Massen
Zwangsläufig wird man im Zusammenhang mit der Livraria Lello auch auf J.K. Rowling stoßen, Mutter der weltbekannten Harry Potter-Saga. Hartnäckig hält sich der Mythos, die Einrichtung im Lello habe sie in der Gestaltung der Zauberschule Hogwarts bedeutend inspiriert. Rowling lebte in der Schreibphase des ersten Bandes in Porto und war angeblich häufige Besucherin der Buchhandlung. J.K. Rowling selbst dementierte das in einem Twitter-Post vom 21. Mai 2020:
"For instance, I never visited this bookshop in Oporto. Never even knew of its existence! It’s beautiful and I wish I had visited, but it has nothing to do with Hogwarts!"
Trotz des öffentlichen Statements hält sich das Gerücht hartnäckig. Nach wie vor ist es ein starker Anreiz für Fans und Interessierte, die Buchhandlung zu besuchen. Um dem Bedürfnis nachzukommen, wurde eine eigene Harry Potter-Ecke eingerichtet. Das generelle Buchangebot kann den Themen Nationalstolz, Intellekt, Romantik und touristische Anpassung zugeordnet werden und repräsentiert so portugiesische und internationale Klassik und Lyrik – Postkarten, Reiseführer und nette Andenken ergänzen das Repertoire. © silverfox999, Shutterstock
Zwischen dem kleinen Prinzen, Romeo und Julia und Werken des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers José Saramago gelingt es den Betreibern, die Palette nicht überraschend, aber charmant zu gestalten. Denn auch hier wird deutlich, dass die Livraria Lello nicht eine ausgewählt sortierte Buchhandlung ist und sein will. Sie ist eine Institution, begleitet von Ruhm, Hype und Historie. Besonders hervorzuheben sind die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen mit teils hochkarätigen Gästen und besonderen Themen.
Die enorme Popularität hat dazu geführt, dass die Zugangs- und Verhaltensregeln mittlerweile denen eines Museums ähneln. Es heißt Schlange stehen, das Mitbringen von Tieren ist nicht erlaubt, große Gepäckstücke müssen verschlossen werden, das Handy sollte im Stummmodus sein und ohne ein Ticket gibt’s keinen Eintritt. Trotz Kritik an diesem Vorgehen, unverständlich erscheint das Ganze nicht: Massen hinterlassen ihre Spuren. Die Livraria Lello wird mal hoch gelobt oder als Tourismusmagnet "zerrissen". Natürlich, romantische Schmökerei in Stille gibt es wohl nicht, dafür ist sie unleugbar schön anzusehen. Begleitet von einem erhabenen Gefühl in einer der offiziell schönsten Buchhandlungen der Welt gewesen zu sein.