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Oslo
Kunst, Koloss und Kontroversen: Das Munch Museum Oslo
Das Munch Museum Oslo beeindruckt und polarisiert. Der monumentale Bau des Architekturbüros Herreras gibt Munchs Werken seit 2021 eine neue Heimat – ein Blick hinter die Glasfassaden offenbart Kunst, Kontroversen und nicht zuletzt Visionen.
Lea Katharina Nagel, vom 28.10.2024
Edvard Munch: Kunstverständnis und Vermächtnis
Edvard Munch wurde am 12. Dezember 1863 in Norwegen geboren und verbrachte eine von Krankheit und Isolation geprägte Kindheit. Die frühen Erfahrungen formten ihn tief und beeinflussten später die intensive Emotionalität seiner Kunst. In seinen Anfängen schloss er sich dem Symbolismus an, wurde aber bald ein Pionier des Expressionismus, indem er das innere Erleben des Menschen – die Abgründe und Höhen – auf Leinwand brachte. Liebe und Einsamkeit, Melancholie und Verzweiflung, Angst, Krankheit und Tod durchziehen sein Werk als wiederkehrende Motive. Auch wenn Munchs Schaffen überwiegend düster erscheint, finden sich darunter Werke, die Hoffnung und Licht widerspiegeln, die hell und tröstlich wirken. Das berühmteste Werk, Der Schrei (1893), erlangte weltweite Bekanntheit und gilt bis heute als Ikone der modernen Kunst. Seinen Nachlass, über 27.000 Werke, vermachte er testamentarisch der Stadt Oslo, die sein Erbe bis heute bewahrt und (ver-)ehrt.
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Eine Verneigung vor Oslo
Mit 58 Metern Höhe und 26.000 Quadratmetern auf 13 Etagen erhebt sich das neue Munch-Museum mitten im Bahnhofsviertel von Oslo. Und: Es ist mehr als ein reiner Ausstellungsort: Sieben Stockwerke widmen sich Munchs Kunst, während auf den restlichen Etagen Räume für Konzerte, Aufführungen, Cafés, Restaurants, Geschäfte und eine Forschungsbibliothek geschaffen wurden. Das spanische Architekturbüro Estudio Herreros, unter Leitung des deutschen Architekten Jens Richter, entwarf das außergewöhnliche Gebäude, mit seiner feinen Eigenheit, dem "Knick": Der 11. Buchstabe des griechischen Alphabets, Lambda, inspirierte das ab dem neunten Stockwerk um 20 Grad geneigte Design. Das auffällige Gebäude, so der Gedanke, „verneigt“ sich vor der Stadt Oslo, richtet einen subtilen Gruß an die norwegische Hauptstadt und ihre Geschichte. Die Besucher können dabei die Stadt durch große Glasfronten erleben, während die Ausstellungsräume bewusst abgedunkelt gestaltet sind, um die intensiven Werke Munchs bestmöglich zur Geltung zu bringen. Die breiten Rolltreppen und großzügigen Übergänge laden zum Verweilen und Erkunden ein, die Durchlässigkeit ermöglicht einen offenen Dialog zwischen Kunsterlebnis und der Dynamik der Stadt.© ianstuart, Shutterstock
Zwischen Kritik und Visionen
Schon seit 1963 wurden Teile von Munchs Nachlass in Oslo ausgestellt, wobei die alten Museumsräume schon seit einigen Jahren "aus allen Nähten platzten". Am 22. Oktober 2021, ein Jahr später als geplant, eröffnete schließlich der heutige Bau – das stolze Projekt kostete zwischen 200 und 300 Millionen Euro und beherbergt in Summe 42.000 Exponate. Während König Harald die Eröffnung damals feierlich begleitete, folgte auf die Begeisterung auch harsche Kritik: Das Gebäude, so kritische Stimmen, passe sich optisch nicht ins Stadtbild ein, die Ausstellungsräume seien zu klein, während kommerzielle Bereiche zu viel Platz einnehmen würden. Auch kursierte die Sorge, dass zahlreiche Werke in den Lagern des Museums „vor sich hin schimmeln“ könnten - eine wenig berechtigte Kritik, denn das neue Museum bietet nicht nur große Säle und höhlenartige Rückzugsorte für weltberühmte Kunstwerke wie Der Schrei, sondern auch viele separate Räume für Munchs Holzschnitte, persönliche Gegenstände und Werkzeuge und mit über 40.000 Objekten geben sie die Möglichkeit weniger populäre Facetten von Munchs Kunst zu präsentieren.
Olav Henrichsen, der erfahrene Museumsdirektor und frühere Musiker, nahm die Kritik gelassen auf und betonte, dass es nicht darum ging, ein schönes Gebäude zu schaffen, sondern etwas Monumentales – etwas ebenso polarisierendes wie die Person Munchs selbst. Das ist gelungen.