1. Magazin
  2. Reportagen
  3. Verloren, Verhüllt, Verehrt – Die ewige Anziehungskraft des Machu Picchu

Peru

Verloren, Verhüllt, Verehrt – Die ewige Anziehungskraft des Machu Picchu

Blick von oben auf die Anlage des Machu Picchu mit etwas Nebel und Sonne© Junki Asano, Shutterstock · Machu Picchu, nach wie vor von Rätseln umgeben

1911 wurde Machu Picchu von Hiram Bingham wiederentdeckt. Heute ist das Weltkulturerbe nicht nur Touristenmagnet, sondern auch ein Rätsel, das die Menschheit weiterhin fasziniert.

Lea Katharina Nagel, vom 13.11.2024

"Diese faszinierende Gegend übte einen derartigen Reiz auf mich aus, dass ich sie mit keinem Gebiet der Welt vergleichen kann."

Die Wiederentdeckung: Expedition zum Machu Picchu

So soll sich Hiram Bingham einst geäußert haben. Hiram gilt als "Wiederentdecker" einer der spektakulärsten Kulturstätten Lateinamerikas, des Machu Picchu, des großen Berges. Am 24. Juli 1911 stieß der US-amerikanische Forschungsreisende im Rahmen einer Expedition auf die Ruinen unweit der Provinzhauptstadt Cusco, im zentralen Hochland Perus. Man müsste korrekterweise sagen, Bingham war weniger Entdecker als Freileger – 40 Jahre zuvor fand der deutsche Kaufmann August Bern bereits im Zuge von Waldarbeiten Überreste der Anlage. Bingham jedoch ist es zu verdanken, dass diese schließlich untersucht werden konnten. Bis 1913 rekrutierte er zahlreiche Sponsoren für seine archäologischen Studien, auch wurde ihm ein Stipendium der National Geographic Society zuteil. Ausgestattet mit einer - unter damaligen Umständen - revolutionären Technologie, einer Kodak Panoramakamera, und unter der fachmännischen Hilfe der indigenen Bevölkerung, wurden in den kommenden Jahren große Flächen der vom Dschungel überwucherten Steine freigelegt. Hiram Bingham, akademisch ausgebildet in Yale, Harvard und Berkeley, dokumentierte seine gesamte Peru-Expedition und wie er später auf Machu Picchu stieß in dem Buch Inca Land, heute unter dem Titel Machu Picchu – Die legendäre Endeckungsreise im Land der Inka bekannt.

Hirams Wissbegierde und Mitteln ist es folglich zu verdanken, dass die bedeutende Ruinenstadt der Inka sich auch heute in ihrer vollen Pracht vor dem Himmel verneigen kann. Gelegen auf 2430m zeichnet sie stets ein erhabenes Bild – ob in Nebel getaucht, mit Sonne beschienen oder begleitet von Touristenhorden. Mystik umgibt Machu Picchu, begleitet von dem Wunsch Vieler, endlich zu verstehen, was dieser Ort einst für eine Bedeutung hatte. Nach heutigem Wissenstand wurde die Stätte im 15. Jahrhundert (circa zwischen 1420 – 1520) von dem 9. Herrscher der Inka-Dynastie, Pachacútec Yupanqui, erbaut und verbindet die Gipfel des jungen (Huayna Picchu) und alten Berges (Machu Picchu). Schon damals sollen Pilgerfahrten hierher unternommen worden sein, heute kann sich das Erbe von Pachacútec Yupanqui mit Weltruhm schmücken. Blauer Zug in Bergdorf nahe des Machu Picchu mit einer Gruppe einsteigender Gäste auf den Schienen© Galyna Andrushko, Shutterstock

Overtourism und die endlose Suche nach der Wahrheit

Als Konsequenz drängen sich Menschenmassen aus aller Herren Länder täglich mit Bus und Bahn zu dem 1983 von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichneten Wunder – ja, Machu Picchu ist ein klassisches Beispiel für Overtourism. Noch vor dem natürlichen Reisestopp durch die Corona-Pandemie, musste die peruanische Regierung 2019 intervenieren, um dem Strom an Besuchern wieder Herr zu werden. Der Einlass wird heute nun nur noch stundenweise gewährt, die Anzahl an Tagestouristen ist beschränkt, Tickets müssen vorab gekauft werden und der Zugang ist nur mit Guide möglich. Wie es dem Management gelingen kann, den Kommerz in Schach zu halten, wird die Zukunft zeigen.

Doch allem Pilger-Hype zum Trotz, ist Machu Picchu einer dieser Orte, dessen unvergleichlicher Reiz wohl nicht nur aus einer einzigartigen Architektur, geschichtlichen Bedeutung und einer pittoresken Lage heraus erklärt werden kann. Der Umstand, dass der Sinn hinter dem Bau bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vollständig entschlüsselt ist, wirkt magnetisch. In den letzten hundert Jahren tauchten immer wieder wilde Spekulationen und Theorien auf. Widerlegt oder durch Funde bekräftigt, musste die Wissenschaft sich immer wieder revidieren, kam der Wahrheit aber wohl auch einen Schritt näher: Bei der Inka-Stätte handelte es sich nicht um eine Wohnsiedlung - wovon man lange Zeit ausging. Denn in den rund 300 Wohnungen, die mit ausgeklügelten Kanalanlagen miteinander verbunden sind, konnten dauerhaft nicht mehr als 1500 Menschen leben. Und das wäre zu klein für eine Stadt der Inka. Wofür waren sie also da?

Die archäologischen und ethnologischen Studien weisen eindeutig darauf hin, dass es sich um ein religiöses Heiligtum und eine Art astrologisches Zentrum gehandelt haben muss. Das Volk der Inka hatte eine unvergleichliche Verbindung zum Kosmos, das gesamte Management der Kultur orientierte sich an Sternenbildern, Sonnenstand und Planetenlaufbahnen. Spuren bei Machu Picchu deuten sowohl auf landwirtschaftliche Experimente als auch intensive Himmelstudien und Sternenbeobachtungen hin. Ein Observatorium, ein Friedhof, ein Tempel, ein seltsam geformter Felsen für Opferrituale und auffällig viele gefundene Frauenskelette, die den Mythos der Sonnenjungfrauen bekräftigen, sind nur einige Beispiele: Die Richtung ist klar, das ganze Rätsel nach wie vor jedoch nicht gelöst. Blick durch ein Steintor auf die nebelige Anlage des Machu Picchu© Jens_Bee, Shutterstock Machu Picchu – Der Name in der indigenen Sprache Quechua stammt von Hiram, nicht von den Inka. Wie die Stätte einst genannt wurde, bleibt im Nebel verbogen. Da keine schriftlichen Quellen vorliegen, wird er laut Hiram "mit den Schatten der Vergangenheit gegangen" sein.

Passende DUMONT Titel

Weitere interessante Reportagen

Topseller

@dumontreise Instagram