- Magazin
- Reportagen
- Auf Treidelpfaden den Regent's Canal entlang
London
Auf Treidelpfaden den Regent's Canal entlang
Die Wasserstraße Regent’s Canal wurde 1820 als Verbindung zwischen Ost- und Westlondon gebaut. Am schönsten und daher auch am beliebtesten ist der idyllische Treidelpfad zwischen Little Venice und Camden Lock.
Annette Kossow, vom 24.09.2024
Start: Little Venice, U: Warwick Avenue oder Paddington; von Victoria Station Bus Nr. 24.
Zeit: Little Venice–Camden 45 Min. - 1 Std., Little Venice–Limehouse 3,5 Std. Zwischen Little Venice und Camden Lock fahren auch Ausflugsboote.
Bevor die Eisenbahn erfunden wurde, durchzogen Kanäle das ganze Land. Der Wasserweg war eine billige Möglichkeit, Waren über längere Strecken zu transportieren. Der Grand Junction Canal war der erste Kanal Englands und führte von Birmingham nach Paddington in Westlondon. Der Regent’s Canal wurde 1820 eröffnet, um eine Verbindung zwischen Paddington und den Docks an der Themse zu schaffen. Zwölf Schleusen und drei Tunnel waren nötig, um den Wasserspiegel bis hinunter an die Themse zu senken. Bis in die 1960er-Jahre wurde der Kanal kommerziell genutzt, erst 1968 entschloss man sich, ihn in ein Naherholungsgebiet umzuwandeln.
Wie eine grüne Ader zieht sich der Regent’s Canal heute durch einige der am engsten bebauten Gegenden Londons. In gut drei Stunden kann man die gesamte Strecke von Little Venice nahe Paddington Station bis zu den Limehouse-Docks östlich der Tower Bridge ablaufen (12 km), doch die schönste Strecke ist der erste Abschnitt bis Camden. Hier gibt es am Ufer Bänke zum Ausruhen und zahlreiche Einkehrmöglichkeiten – oder Sie machen zwischendurch ein Picknick im Regent’s Park oder auf dem Primrose Hill.
© I Wei Huang, Shutterstock
Idyllisch: "Klein-Venedig"
Little Venice – so lautet verheißungsvoll die Gegend rund um das kleine Hafenbecken nördlich von Paddington Station, in dem Grand Union Canal und Regent’s Canal zusammenfließen. Das noble und ruhige Viertel im Süden des Stadtteils Maida Vale ist von weißen, mit Stuck verzierten Stadthäusern geprägt. An beiden Seiten des Regent’s Canal liegen gepflegte Hausboote im Wasser. Einige Besitzer haben sich an ihrem jeweiligen Ankerplatz am Ufer sogar einen kleinen Garten eingerichtet.
Ein Boot wird als Café, ein anderes als Bühne genutzt: Die Puppet Theatre Barge (gegenüber 35 Blomfield Road, Tel. +44 20 7249 6876, www.puppetbarge.com) fungiert als schwimmendes Marionettentheater, seit 1986 werden hier im Sommer u.a. Aesops Fabeln aufgeführt. Am Bank Holiday Anfang Mai findet die dreitägige Canal Cavalcade statt, ein buntes Fest, zu dem sich rund hundert Narrowboats von nah und fern in Little Venice einfinden. Mit Morris Dancing und Punch & Judy Shows geht es dort sehr "englisch" zu. Warwick Castle (6 Warwick Place, Tel. +44 1926 406610), nur ein paar Schritte vom Wasser entfernt, ist ein alter Pub mit gutem Ale und leckerem Essen – bei schönem Wetter kann man auch draußen sitzen.
Shoppingmekka Camden Lock
Der Treidelpfad entlang des Kanals beginnt unweit der U-Bahn-Station Warwick Avenue. Nach kurzer Zeit muss man das Kanalufer kurzzeitig verlassen und den Maida Hill Tunnel (mit 248 m der zweitlängste Kanaltunnel in London) überqueren. Man passiert das Café Laville am Tunneleingang, geht über die Edgware Road und den Aberdeen Place hinweg. Von dort führt eine Treppe wieder zum Kanalweg hinunter.
Entlang der liebevoll hergerichteten Hausboote, die hier eng an eng liegen und alternative Wohnkultur bieten, geht es in Richtung Regent’s Park und London Zoo. Die bombastischen Villen rechter Hand sind nicht alte, sondern neue Bauten nach neoklassizistischen Entwürfen des Stararchitekten John Nash. Reiche, sehr reiche Leute wohnen hier.
Am Fuße des Primrose Hill (schöne Aussicht über London) führt der Kanal durch das Zoogelände. Vom Weg aus konnte man früher das beeindruckende Snowdon Aviary sehen, ein riesiges Vogelgehege, welches mittlerweile zu einem weitläufigen Affengehege namens Monkey Valley umfunktioniert wurde. Nach einer scharfen Linksbiegung gleitet Regent’s Canal aus der Parkanlage heraus. Am Kanalufer liegt das chinesische Feng Shang Restaurant (www.fengshang.co.uk, Tel. +44 (0)20 7485 8137). Elegante viktorianische Häuser mit romantischen Gärten bis ans Ufer geben hübsche Fotomotive ab.
Kurz darauf erreicht man Camden mit seinen verschiedenen Märkten, eine der beliebtesten Touristenattraktionen Londons. Wer nicht mehr weiterlaufen möchte, kann von Camden Lock aus mit einem der Ausflugsschiffe in etwa 50 Minuten zum Ausgangspunkt zurückfahren und diesen schönsten Abschnitt des Kanals entspannt vom Wasser aus genießen. Doch die Fortsetzung des Weges lohnt.
© 18th Studio, Shutterstock
Spannende Kanalgeschichte
Der weitere Weg führt zunächst mitten durch das belebte Viertel Camden, doch schon bald lässt der Trubel nach. Der Islington Tunnel im gleichnamigen Stadtteil muss wieder oberhalb überquert werden, denn es gibt keinen Fußweg im Tunnel. Kurz zuvor lohnt ein Abstecher zum liebevoll eingerichteten London Canal Museum (www.canalmuseum.org.uk, Di–So und Bank Holiday Mo 10–16.30 Uhr) am Battlebridge Basin: Das altmodische Museum ist in einem ehemaligen Eishaus eingerichtet. Anhand von Fotos, einem Videofilm, der Kabine eines originalen narrowboats und zahlreichen Objekten wird hier die Geschichte des Regent’s Canal dokumentiert. Um 1870 lebten rund 40.000 Londoner auf Booten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Geschichte des Eishandels, der vor allem in Spätviktorianischer Zeit wichtig wurde. 1899 wurden immerhin 35.000 Tonnen Eis aus Norwegen herbeigeschafft, die dann in tiefen Eisbrunnen gelagert und an einzelne Haushalte verkauft wurden. Nach 1900 ließen die Importe aus Norwegen nach, weil Eis zu diesem Zeitpunkt bereits künstlich hergestellt werden konnte.
Zu den alten Docks an der Themsemündung
Hinter dem City Road Basin, dem größten Seitenarm des Kanals, führt der Weg weiter in Richtung des Viertels Hackney. Im schmalen Towpath Restaurant Café (März–Nov., www.towpathlondon.com) kann man sich mit Snacks stärken. Der hübsche Victoria Park, in den 1840er-Jahren als Geschenk für die Bevölkerung des East End angelegt, ist heute für viele der schönste Park Londons, mit Attraktionen wie Konzerten, Zirkus oder Festivals. Am Ende des Mile End Park liegt das Ragged School Museum (raggedschoolmuseum.org.uk) mit einer Dokumentation über die in den 1870er-Jahren für die ärmsten Kinder gegründete Schule. Nach einem weiteren Kilometer ist das Limehouse Basin erreicht. Es war eines der ersten Docks, das den Schiffsverkehr der Themse mit dem Wasserwegesystem des Inlands verband. Heute befinden sich hier ein kleiner Jachthafen und eine luxussanierte Wohngegend. Von hier aus kann man mit der Docklands Light Railway bequem wieder in die Innenstadt zurückfahren.